Wer sich nicht wehrt, kann nicht gewinnen Dokumentarfilm von Jeanine Meerapfel

Filmvorführung, Vortrag und Diskussion

Ohne festen Job, aber nicht ohne Würde: Das sind die Frauen und  Männer in Jeanine  Meerapfels Dokumentarfilm "Wer sich nicht wehrt kann nicht gewinnen". Mosconi, eine  Kleinstadt in Argentinien, wurde bis 1993 von der staatlichen Ölindustrie dominiert. Nach der Privatisierung von Öl und Gas verloren die meisten Bewohner ihren Arbeitsplatz. Ihre Krankenhäuser und Schulen wurden geschlossen, ungesetzliche Rodungen führten immer wieder zu Überschwemmungen: Mosconi drohte in Armut zu versinken. Doch die Arbeitslosen aus Mosconi organisierten sich. Aus staatlichen Almosen machten sie soziale Projekte, Hilfeempfänger wandelten sie zu selbstbewussten ArbeiterInnen. Sie wurden zu einem Beispiel von sozialem Widerstand für ganz Argentinien. Dieser Prozess wird in Meerapfels Film einfühlsam dokumentiert. Mehr noch: Die Filmemacherin gibt den Arbeitslosen eine Kamera in die Hand, und sie dokumentieren, was sie tun. Argentinien mag weit weg erscheinen, die Leute von Mosconi kommen uns mit diesem Film sehr nahe.

Vor dem Film:
Musikalische Einführung durch Floros Floridis (Komponist des Films; Saxophon, Klarinette).
Nach dem Film:
Foyergespräch mit Jeanine Meerapfel, Uli Gellermann (Journalist), Jan Dunkhorst (Forschungs- und Dokumentationszentrum  Chile-Lateinamerika). Moderation: Sabine Rollberg.


Jeanine Meerapfel, Regisseurin zahlreicher Spiel- und Dokumentarfilme, darunter „Malou“, „Die Kümmeltürkin geht“,  "Amigomío" und "Annas Sommer"; Professorin für Film und Fernsehen; Mitglied der Akademie der Künste.

Diese Dokumentation will die Geschichte von Menschen erzählen, die ihr Schicksal selbst in die Hand genommen haben. Man kann sich erfolgreich zur Wehr setzen und dabei ökonomisch, ökologisch und moralisch als Sieger hervorgehen.
Die Filmemacherin Jeanine Meerapfel hat viele Seminare im Goethe Institut in Buenos Aires gegeben. Eines Tages erzählte ihr die Kulturreferentin von einem Ort Namens General Mosconi und machte sie neugierig, dorthin zu fahren. Daraus ist ein gemeinsames Projekt entstanden: Jeanine Meerapfel hat den Menschen in Mosconi Filmkameras gegeben und mit ihnen Workshops gemacht. Einige Einwohner sollten lernen, ihr Leben und ihre Erfahrungen filmisch festzuhalten.
Warum Mosconi? Diese Stadt im Norden Argentiniens war einst  das Sinnbild für den Reichtum Südamerikas, ein Vorzeigemodell des peronistischen Wohlfahrtstaates. Die Quelle des Reichtums war das Öl. Damit wurde nicht nur die argentinische Wirtschaft belebt, es sprudelte auch für ein beispielhaftes staatliches Sozialsystem mit kostenlosen Schulen, hervorragender Krankenversorgung, Vollbeschäftigung.
Dann kam der Bruch: 1993  wurde die Ölwirtschaft privatisiert. Die Folgen waren für die ehemals so umfassend vom Staat versorgten Bewohner Mosconis katastrophal. Nicht nur verloren die meisten ihren Arbeitsplatz, die Schulen und Krankenhäuser wurden geschlossen, die unkontrollierten Rodungen für Soja und den neuen Treibstoff Biomethan führten zu Moskitoinvasionen und Überschwemmungen. Die Stiche der Insekten verursachten bisher nicht bekannte, oft tödliche Krankheiten.
Die Menschen in Mosconi waren durch diese Schicksalsschläge wie gelähmt. Dennoch gaben ein paar Mutige nicht auf. Die Brüder José „Pepino“ Fernández .und Juan Carlos „Gipi“ Fernández gründeten eine Art Verein, die UTD (Union der Arbeitslosen Arbeiter), der es schaffte, zu einem inzwischen gefürchteten Gegenspieler der Multis und zu einem respektierten Gesprächspartner des Staates zu werden.
Ihnen ist es gelungen, Werkstätten zu gründen, eine Baumschule hochzuziehen um gefährdete Baumarten zu retten, Recycling-Methoden zu entwickeln, Schulen und ganze Wohnviertel zu errichten, neue Formen der Arbeit zu erfinden und den großen Firmen Arbeitsplätze abzuringen.
Es ist neues wertvolles Leben am Rande der sich ausbreitenden sterbenden Einöde entstanden.
Einigen dieser Menschen - Gipi , Rubén und Inés -  hat Jeanine Meerapfel, die selbst in Argentinien aufgewachsen ist, beigebracht, mit einer HD Kamera umzugehen. Daraus ist eine beeindruckende, authentische Dokumentation von, über und mit diesen starken, unbeugsamen, aufrechten und solidarischen Menschen entstanden, ein Film der Mut macht, der Vorbilder zeigt und von Menschen handelt, die den aufrechten Gang gehen und die beweisen, dass man sich nicht resigniert in ein Schicksal ergeben muss.

Ausstrahlung bei ARTE: 19. April 2009 um 22.45


 

Donnerstag, 2.4.2009

19 Uhr

Hanseatenweg

Studio

Kamera: Malena Bystrowicz, Schnitt: Andrea Wenzler/ Paula Goldstein, Musik: Floros Floridis; Redaktion: Sabine Rollberg, ARTE/WDR; Spanische Originalversion mit deutsche Untertiteln und deutschem Kommentar. D/ARG 2008, 53 Minuten
Eintritt € 5,- / 3,-